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Erbfolge ohne Testament - Wer erbt wie viel?

lic. iur. Rainer L. Fringeli im Interview

Die gesetzliche Erbfolge kommt zum Tragen, wenn ein Erblasser seine Erbfolge nicht durch eine letztwillige Verfügung oder einen Erbvertrag geregelt hat. Welche Personen ein gesetzliches Erbrecht haben, wie viel diese jeweils erben und welche Rolle die sogenannten Pflichtteile im Erbrecht spielen, beantwortet Ihnen Rechtsanwalt und Notar lic. iur. Rainer L. Fringeli im folgenden Interview.

Vor seinem Jus Studium studierte lic. iur. Rainer L. Fringeli Ökonomie in Basel. Anschliessend wechselte er in die Juristerei und studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Basel, Zürich und St. Gallen. Nach Abschluss seines Studiums wurde er im Kanton Solothurn als Anwalt und Notar zugelassen. Seit dem Jahr 2002 ist lic. iur. Rainer L. Fringeli als selbstständiger Rechtsanwalt und Notar tätig. 
Seine Schwerpunkte sind hierbei im Zusammenhang mit dem Notariat zu sehen. Diesbezüglich stehen das Erbrecht und das Gesellschaftsrecht im Vordergrund seiner Tätigkeit. 

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lic. iur. Rainer L. Fringeli

Rechtsanwalt für Erbrecht

Was versteht man unter der gesetzlichen Erbfolge bzw. was sind gesetzliche Erben?

Die gesetzliche Erbfolge ist vom Gesetzgeber definiert und besagt, dass gewisse Personen die Nachfolge eines Erblassers antreten und einen Anspruch auf einen Teil des Nachlasses haben. Die genaue Vermögensnachfolge ist in der gesetzlichen Erbfolge geregelt, wobei die gesetzlichen Erben grundsätzlich in der Familie zu suchen sind. In erster Linie handelt es sich um die Nachkommen, in zweiter Linie um die Vorfahren.

Erst wenn keine andere Regelung - sei es durch ein Testament oder einen Erbvertrag - errichtet wurde, kommt die gesetzliche Erbfolge zum Tragen.

Wann kommt die gesetzliche Erbfolge zum Tragen?

Die gesetzliche Erbfolge kommt zum Tragen, wenn keine andere Regelung, sei es durch ein Testament oder einen Erbvertrag, durch den Erblasser bestellt worden ist. Die gesetzliche Erbfolge sieht ausserdem eine bestimmte Reihenfolge vor, in der geerbt wird. Sollten Nachkommen vorhanden sein, dann erben die Vorfahren nichts. Sollten diese beiden fehlen, dann muss im Stammbaum etwas weiter nach oben recherchiert werden. Ohne Erben mit verwandtschaftlicher Beziehung fällt der Nachlass an das Gemeinwesen des letzten Wohnortes des Erblassers.

Haben Ehegatten bzw. eingetragene Partner ein gesetzliches Erbrecht?

Ja, auch der Ehepartner respektive der eingetragene Partner ist ein gesetzlicher Erbe. Diese werden, durch die geplanten Änderungen im Erbrecht, gegenüber den Nachkommen respektive den Vorfahren künftig etwas besser gestellt.

Wie sieht die gesetzliche Erbfolge bei Gütergemeinschaft aus?

Die Regelung des ehelichen Güterrechts hat allenfalls Auswirkungen auf den Umfang des Nachlasses, der ins Erbrecht fällt. Wer Erbe ist, ist jedoch unabhängig vom ehelichen Güterrecht.

Zu welchen Teilen wird jeweils geerbt? Beispiele: Erben Kinder zu gleichen Teilen? Erben Geschwister zu gleichen Teilen?

Das wesentliche Element ist der Verwandtschaftsgrad bzw. die Abstammung vom Erblasser, unabhängig davon, ob es sich um eheliche oder uneheliche Kinder handelt. Bei Vorhandenseien eines Ehegatten respektive eines eingetragenen Partners erbt dieser die Hälfte, die Kinder erhalten die andere Hälfte. Weitere gesetzliche Erbe fallen in diesem Fall automatisch weg.

Das bedeutet, die Kinder müssen mit dem Elternteil respektive dem Ehegatten respektive dem Partner teilen. Sie bekommen die Hälfte und davon erhalten sie von Gesetzes wegen alle den gleichen Anteil, unabhängig davon, ob sie mit dem Ehegatten respektive dem Partner verwandt sind.

Auch Geschwister erben zu gleichen Teilen. Wenn man davon abweichen möchte, müsste man dies wiederum in einem Testament oder einem Erbvertrag festhalten.

Hat ein Lebensgefährte Anspruch auf ein Erbe?

Nein, wenn man nicht verheiratet ist oder nicht eingetragen ist, hat man keinen Erbanspruch.

Im Schweizer Erbrecht gibt es die sogenannten Pflichtteile – was versteht man unter diesen und wem steht ein Pflichtteil zu?

Ein Pflichtteil steht nach geltendem Recht dem Ehegatten – vorbehältlich man befindet sich nicht in einem laufenden Scheidungsverfahren – und den Nachkommen zu. Wenn es keine Nachkommen gäbe, dann hätten auch die Eltern ein Pflichtteilsrecht. Gemäss aktuellem Recht erhalten Ehegatten respektive eingetragene Partner die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteil der Nachkommen beträgt drei Viertel des gesetzlichen Erbteils. Vorfahren, also die Eltern, erhalten ein Viertel.

Vergessen Sie bitte nicht, dass Sie als unverheiratetes bzw. nicht eingetragenes Paar keinen Erbanspruch besitzen.

Das Schweizer Erbrecht wird modernisiert – warum und welche Änderungen hat dies zur Folge?

Die wesentlichste Änderung erfolgt zugunsten des Ehegatten respektive des eingetragenen Partners. Dies wirkt sich insofern aus, als dass die Pflichtteile der Eltern künftig wegfallen werden. Diese können somit keine Ansprüche mehr erheben. Ausserdem werden die Pflichtteile der Kinder von drei Viertel auf die Hälfte reduziert. Das bedeutet, dass der überlebende Ehegatte respektive Partner deutlich bessergestellt werden kann.

Vor allem die Pflichtteile der Kinder sind mit drei Viertel des gesetzlichen Erbteils besonders gross, weshalb insbesondere nicht verheiratete Partner testamentarisch nur zu einem sehr kleinen Teil eingesetzt werden können.

Ich denke, dass die Teilung vor allen Dingen aufgrund der Lebensumstände – es gibt zum Beispiel immer mehr sogenannte Patchwork-Familien – möglicherweise zu Ungerechtigkeiten führen kann, wenn drei Viertel des Nachlasses bereits besetzt sind. Aus diesem Grund hat das Parlament diese Änderung vorgesehen und im Grund genommen zugunsten des Partners abgeändert.

Ab wann tritt diese Änderung in Kraft?

Mit Beginn des nächsten Jahres 2023.

Besonders in Angelegenheiten betreffend der Nachlassplanung, ist es ratsam, einen qualifizierten Juristen an seiner Seite zu wissen!

Tipp eines Anwalts: Worauf sollten Erblasser bei der Nachlassplanung achten und wie können Sie diese hierbei unterstützen?

Wesentliches Element bei einer Nachlassplanung ist in der Regel die ökonomische Sicherstellung des überlebenden Partners, insbesondere wenn man eine Liegenschaft hat. Es soll sichergestellt werden, dass dieser nicht ausziehen muss, wenn er die Kinder auszahlen müsste. In solchen Konstellationen, insbesondere bei der bereits erwähnten Patchwork-Familie, wäre es empfehlenswert, sich nicht auf die gesetzliche Erbfolge zu verlassen, sondern eine letztwillige Verfügung zu errichten. Sinnvollerweise sollte man ebenso die Kinder im Rahmen eines Erbvertrages miteinbeziehen.

Meines Erachtens ist es sinnvoll, bei der Nachlassplanung einen qualifizierten Juristen, idealerweise einen Notar, der im Nachlass- und Erbrecht tätig ist, beizuziehen. Dieser weiss, insbesondere wenn er ebenso anwaltschaftlich als Prozessanwalt tätig ist, wo im Prozessfall mögliche Fallen und Problemfelder entstehen können.
Angreifbar sind in der Regel handschriftliche Dokumente, also handschriftliche Testamente, die erst sehr spät errichtet worden sind. In solchen Fällen spielt es mitunter eine Rolle, ob die Willensfreiheit noch vorhanden gewesen war respektive wenn es zu früh errichtet worden ist, ob sich die Verhältnisse grundlegend geändert haben. Das ist etwa dann der Fall, wenn man zum Beispiel neu geheiratet hat oder Kinder bekommen hat. In solchen Fällen stimmt das Schriftwerk nicht mehr mit den tatsächlichen Begebenheiten überein.

Grundsätzlich kann man das Testament handschriftlich abfassen. Es ist jedoch wichtig, dass nichts im Dokument – auch der Adresskopf usw. – vorgedruckt ist. Das gesamte Testament muss vom Erblasser, ohne Beiziehen eines Dritten, von Hand geschrieben sein. Sollte dies nicht möglich oder zu riskant sein, benötigt es eine öffentliche Urkunde, welche im Beisein zweier Zeugen von einem Notar unterschrieben wird. Das heisst, es ist jedenfalls empfehlenswert, seine Nachlassplanung frühzeitig zu regeln und in regelmässigen Abständen zu überdenken, ob das, was vereinbart wurde noch mit den aktuellen Umständen übereinstimmt.

Vielen Dank für das Interview!

Fragen zum Thema gesetzliche Erbfolge?
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