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Die gesetzliche Erbfolge – Das gilt es bei der Nachlassplanung zu beachten

Daniel Olstein im Interview

Wer erbt, wenn es kein Testament gibt? Erbrechtsinfo.ch hat diese Frage dem Erbrechtsexperten und Rechtsanwalt Daniel Olstein gestellt, der seit über 30 Jahren Partner in der Kanzlei Waldmann Petitpierre in Basel ist. Wer ein gesetzliches Erbrecht hat, wie die gesetzliche Erbfolge abläuft und welche Rolle die Pflichtteile spielen, erklärt Olstein im Interview.

Nach dem Studium der Jurisprudenz an der Universität Basel, zahlreichen Praktika an Gerichten, in der Verwaltung und in Banken sowie seiner Advokaturprüfung war Olstein fünf Jahre lang bei einer grossen Speditionsgesellschaft tätig. Neben dem Transportrecht und dem Markenrecht stellt das Erbrecht seit Jahren einen Schwerpunkt in seiner Tätigkeit als Anwalt dar.

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Daniel Olstein

Rechtsanwalt für Erbrecht

Wann kommt die gesetzliche Erbfolge zum Tragen?

Wenn der Erblasser selbst seine Erbfolge nicht durch eine letztwillige Verfügung oder einen Erbvertrag geregelt hat, kommt die gesetzliche Erbfolge zum Tragen; gemäss den Artikeln 457 bis 466 des Zivilgesetzbuchs.

Angenommen, jemand hinterlässt kein Testament. Wem steht laut Gesetz ein Erbrecht zu?

Das Gesetz sieht vor, dass die Nachkommen die nächsten Erben des Erblassers sind. An die Stelle vorverstorbener Kinder treten ihre Nachkommen in allen Graden nach Stämmen. Hinterlässt der Erblasser keine Nachkommen, gelangt die Erbschaft an den Stamm der Eltern und bei deren Vorversterben an deren Nachkommen.

Auch der Stamm der Grosseltern ist gesetzlich erbberechtigt. Das habe ich gerade in einem Fall erlebt, es kommt aber äusserst selten vor. Um die Erben in dieser Situation zu finden, wird vom Erbschaftsamt weit bis in das 19. Jahrhundert zurückgeblickt. Wenn man Pech hat, verteilt sich das Erbe so in die ganze Welt. Mit dem Stamm der Grosseltern endet die Erbberechtigung der Verwandten – das ist Artikel 460 im Zivilgesetzbuch.

Steht auch Ehepartnern und eingetragenen Partnern ein gesetzliches Erbrecht zu?

Den überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partnern steht die Hälfte des Erbes zu, wenn sie mit den Nachkommen zu teilen haben sowie drei Viertel, wenn sie mit dem elterlichen Stamm zu teilen haben. Ihnen steht die ganze Erbschaft zu, wenn weder Nachkommen noch Erben des elterlichen Stammes vorhanden sind – der grosselterliche Stamm spielt hier keine Rolle mehr. Das kann zu Problemen führen, wenn es keine Kinder gibt, aber noch ein Elternteil lebt, zu dem man aber keinen Kontakt mehr hat. Der elterliche Stamm erhält in diesem Fall ein Viertel. 

Unverheiratete Partner erhalten vom Gesetz her noch nichts, obwohl die gesellschaftliche Situation sich laufend ändert und Bemühungen bestehen, Konkubinatspaare in Bereichen wie dem Steuerrecht anders zu bewerten. Man muss derzeit noch etwas tun, um den Konkubinatspartner im Erbe zu berücksichtigen, mit all den Nachteilen, die sich aus dem Steuer- und Erbrecht noch ergeben.

Die Erbschaft geht zu gleichen Teilen an die Nachkommen. Gelangt die Erbschaft an den Stamm der Eltern, erben Vater und Mutter und deren Stämme nach Hälften, ebenso, wenn die Erbschaft an den grosselterlichen Stamm gelangt.

Haben adoptierte Kinder ein gesetzliches Erbrecht? Wie steht es andererseits um Stiefkinder?

Adoptivkinder erhalten die Rechtsstellung eines Kindes der adoptierenden Person. In den meisten Fällen ist das ein Paar. Das adoptierte Kind wird also als Nachkomme gesetzlicher Erbe.

Bei Stiefkindern verhält sich das anders, solange keine Stiefkindadoption passiert ist. Ein nicht adoptiertes Stiefkind ist kein Nachkomme des Erblassers und hat daher kein gesetzliches Erbrecht. Natürlich steht es dem Erblasser immer offen, über seine freie Quote zu verfügen und das Stiefkind über Testament, Erbvertrag oder Vermächtnis zu begünstigen.

Wie funktioniert die gesetzliche Erbfolge? Zu welchen Teilen wird geerbt?

Die Erbschaft geht zu gleichen Teilen an die Nachkommen. Gelangt die Erbschaft an den Stamm der Eltern, erben Vater und Mutter und deren Stämme nach Hälften, ebenso, wenn die Erbschaft an den grosselterlichen Stamm gelangt.

Dem überlebenden Ehegatten oder eingetragenem Partner steht wie erwähnt die Hälfte zu, wenn er mit Nachkommen zu teilen hat und drei Viertel, wenn er mit dem elterlichen Stamm zu teilen hat, sowie die ganze Erbschaft, wenn es weder Nachkommen noch Erben des elterlichen Stammes gibt.

Könnten Sie hierzu ein Beispiel nennen?

Nehmen wir an, der Erblasser hinterlässt eine Schwester und eine Nichte – die Tochter des vorverstorbenen Bruders. Die Eltern sind bereits verstorben, das ist in Erbfällen, in denen es auch vorverstorbene Brüder gibt, oft der Fall. Er hinterlässt auch eine geschiedene Ehefrau, Nachkommen gibt es keine.

Der elterliche Stamm, also Vater und Mutter, erbt zu Hälften. Da beide vorverstorben sind, geht die Erbschaft an die Nachkommen der Eltern – je hälftig an die Schwester und den Bruder. Der Bruder ist wiederum vorverstorben, also fällt die Hälfte der Erbschaft an seine Tochter, die Nichte des Erblassers. Die geschiedene Ehefrau ist nicht gesetzliche Erbin, da der Erbanspruch des Ehepartners bei einer Scheidung erlischt.

Über den Pflichtteil hinaus kann der Erblasser frei verfügen. Hinterlässt er gar keine Pflichtteilserben, kann er über sein ganzes Vermögen frei verfügen.

Was bedeuten die Pflichtteile im Erbrecht und wem stehen sie zu?

Das Gesetz schreibt vor, dass bestimmte Personen einen Mindestanteil am Erbe erhalten – den sogenannten Pflichtteil. Sobald der Erblasser pflichtteilsberechtigte Erben hinterlässt, darf er über diesen Pflichtteil nicht frei verfügen. Der Pflichtteil der Nachkommen beträgt drei Viertel ihres gesetzlichen Erbanspruches, der Pflichtteil der Eltern die Hälfte ihres gesetzlichen Erbanspruches und der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partners ebenfalls die Hälfte seines gesetzlichen Erbanspruches.

Der gesetzliche Erbanspruch eines Ehepartners, der das Erbe mit den Kindern teilt, ist die Hälfte. Die Hälfte davon – ein Viertel des Erbes – ist der Pflichtteil. Der gesetzliche Erbanspruch der Kinder wäre in diesem Fall ebenfalls die Hälfte, drei Viertel davon – drei Achtel des Erbes – ist ihr Pflichtteil. Wenn es beispielsweise drei Kinder gibt, erhält jedes davon ein Achtel des Erbes.

Den Pflichtteil könnte man mit einer Enterbung entziehen, die Voraussetzungen dafür sind allerdings enorm hoch. Der Erbe müsste eine schwere Straftat gegen den Erblasser oder eine ihm nahestehende Person begangen haben. Dass ein Kind zum Beispiel keinen Kontakt zum Erblasser hat oder ihm unsympathisch ist, reicht für eine Enterbung nicht aus. Über den Pflichtteil hinaus kann der Erblasser frei verfügen. Hinterlässt er keine Pflichtteilserben, kann er über sein ganzes Vermögen frei verfügen.

Das Erbrecht wird modernisiert, was wird sich hier ändern?

Das revidierte Erbrecht wird am 1. Januar 2023 in Kraft gesetzt. Mit dem neuen Recht können Erblasserinnen und Erblasser über einen grösseren Teil ihres Nachlasses frei verfügen. Heute stehen Kindern drei Viertel ihres gesetzlichen Erbanspruches als Pflichtteil zu, künftig wird es nur noch die Hälfte sein.

Im zuvor beschriebenen Beispiel, in dem es Nachkommen und einen überlebenden Ehepartner gibt, beträgt der Pflichtteil der Kinder nur noch ein Viertel und nicht mehr drei Achtel des Erbes. Der Pflichtteil der Eltern entfällt mit der Revision ganz. Der überlebende Ehepartner, der keine Kinder hat, muss also nicht mehr ein Viertel der Erbschaft an die betagten Eltern abgeben. Die Pflichtteile der Ehepartner oder eingetragenen Partner bleiben unverändert.

Wer sein Erbe in Zukunft mit Testament regeln möchte, wird weniger stark durch die Pflichtteile eingeschränkt sein und kann freier verfügen. Auch die faktischen Lebenspartner – die Konkubinatspartner – können dann stärker begünstigt werden.

Ein zweiter wichtiger Grund für die Revision ist, dass die Nachfolgeregelung und damit die Stabilität von Familienunternehmen positiv beeinflusst werden soll. Auszahlungen des Erbes sind für die Unternehmensnachfolger nämlich extrem belastend.

Ihres Erachtens: Worauf sollten Erblasser bei der Nachlassplanung achten?

  • Pflichtteile darf man wie gesagt nicht verletzen. Wenn man aber irgendeinen bestimmten Betrag in das Testament schreibt und es sich dann nicht mehr ansieht, können sich Veränderungen ergeben und man verletzt die Pflichtteile unbeabsichtigt. Wenn man der Erbengemeinschaft den Erbgang erleichtern und Streit vermeiden will, ist es sicher sinnvoll, den Nachlass möglichst genau zu regeln, vielleicht auch mit Prozentzahlen. Es kann geschehen – zum Beispiel, wenn ein Erblasser in ein Altersheim kommt –, dass plötzlich nicht mehr so viel Nachlass vorhanden ist, wie gedacht. Verwendet man Prozentzahlen, kann das nicht passieren.
  • Es ist auch sinnvoll, das Vermögen zu inventarisieren, auch das ist mit Testament oder Erbvertrag möglich.
  • Wenn man bestimmte Sachen an Personen vererben will, sollte das im Vermächtnis genau geregelt sein; hier sollte man nicht mit Prozentzahlen arbeiten.
  • Ausserdem kann man einen Willensvollstrecker mit detaillierten Weisungen einsetzen. Gerade bei grösseren Erbengemeinschaften mit vielen Kindern oder Personen, die nicht alle vor Ort wohnen, kann ein Willensvollstrecker Streit vermeiden.

Wie können Sie als Erbrechtsanwalt Menschen helfen, die ihre Erbfolge regeln möchten?

Es beginnt mit der Nachlassplanung. Ich kann über die verschiedenen Verfügungsarten und -beschränkungen aufklären sowie ein Testament oder einen Ehe- und Erbvertrag aufsetzen. Dabei halte ich den Willen des Erblassers möglichst genau fest, stelle sicher, dass keine Pflichtteile verletzt werden und achte darauf, dass die Formvorschriften eingehalten werden.

Auch Beurkundungen bei einem Notar sind in unserer Kanzlei möglich. Letztendlich übernehme ich auch Willensvollstreckermandate, die man in einem Testament oder Erbvertrag einsetzt – das ist eine klassische Hilfestellung, die dem Erblasser die Sicherheit gibt, dass seine Anweisungen auch umgesetzt werden. Der Willensvollstrecker ist der Anwalt des Erblassers und muss sich an dessen Anweisungen halten und nicht an die Wünsche der Erben.

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Daniel Olstein

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